Dschingis Khan

Die Mongolen unter Dschingis Khan

von Simon Hollendung und Björn Böhling

2.1 Die Kultur und Lebensweise der Mongolen im späten 12. und frühen 13. Jh.

2.1.1 Gesellschaftsstruktur

Die Mongolei war im 12. Jh. ein von mehreren Völkern besiedeltes Gebiet. Die Bezeichnung ‚Mongolen’ übertrug sich aber erst im Laufe der Zeit auf alle Völker. Zuerst wurde damit lediglich eines unter vielen beschrieben. Neben dem Volk der ‚eigentlichen Mongolen’[3] existierten im Kerngebiet der späteren Expansion z.B. noch die Kirgisen, Keräiten, Tataren u.a.[4] Erst unter dem späteren Großkhan[5] Dschingis Khan wurden diese Völker zu den heute bekannten Mongolen zusammengefasst. Bis dahin war es ein weiter Weg und oft mussten die Mongolen in ihrem Gebiet eine Fremdherrschaft hinnehmen, nachdem andere Völker (z.B. die Uighuren oder Tataren[6]) die Oberhand gewonnen hatten.

Auch die eigentlichen Mongolen waren keine homogene Ethnie, sondern in eine große Anzahl von ‚Ulussen’ eingeteilt, was soviel wie ‚Stamm’ oder ‚kleine Nation’ bedeutete.[7] Von einer Eintracht zwischen diesen Stämmen, geschweige denn von einer gemeinsamen Politik, konnte man nicht sprechen. Die Stämme wurden zwar früher schon unter einem Khan[8] zu einem Volk zusammengefasst, das musste aber nicht bedeuten, dass es auch als eine Einheit handelte.[9] Bündnisse zwischen den Stämmen wechselten ebenso häufig, wie es Kriege unter ihnen und gegen die Nachbarvölker gab. Die Stammesführer waren zwar Vasallen des Khans, aber ihre Unabhängigkeit mussten sie dadurch nicht zwangsläufig vollständig verlieren. Grousset führt die Gesellschaftsstruktur weiter aus und beschreibt in der Hierarchie unter Volk und Stamm auch noch Klane und Unterklane.[10]

Nach der Lebensweise konnten die Mongolen in Hirtenstämme der Steppe und in Jäger- und Fischerstämme der Wälder eingeteilt werden. Dies ergab sich daraus, dass die Waldgrenze quer durch das Gebiet verlief.[11]

Die Struktur der Stämme war hierarchisch gegliedert.[12] Wie in anderen Feudalgesellschaften waren die Stufen durch vererbbare Treuebänder verbunden.[13] Ein gutes Beispiel für diese Verbindung ist Dschingis Khan selber, der, bevor er Khan der eigentlichen Mongolen wurde, treu als Vasall dem Karäiten-König Toghril[14] diente. Trotz eigener Machtbestrebungen wurden diese Dienstverhältnisse im Prinzip eingehalten. Der Anspruch des Lehnsherren wurden von seinem Vasallen erst dann in Frage gestellt, wenn es zu persönlichen Konflikten kam. Die Begriffe Ehre und Treue waren in der mongolischen Gesellschaft tief verwurzelt und wurden weitgehend respektiert.

An der Spitze der Hirtenstämme (ke’er-un irgen) stand eine einflussreiche Aristokratie mit den Titeln Ritter (ba’aatur), Häuptling (noyan), Weiser (setchen/setsen) oder dem chinesischen Titel für Fürst (t’ai-tsi/taitchi). Dieser Adel hatte die Aufgabe, Weideland zu finden und die eigene Herde samt Schutzbefohlenen und Sklaven zu schützen. Außerdem hatte er den Oberbefehl über die niederen Klassen. In der Rangordnung folgten die Krieger oder Getreuen, wirkliche freie Männer, die Gemeinen oder die Klasse der Bürgerlichen und schließlich die Sklaven, zu denen auch die Menschen der besiegten Stämme gehörten.[15]

Bei den Waldstämmen (hoyin-irgen) schien die Aristokratie im Gegensatz zu den Hirtenstämmen keine so wichtige Stellung eingenommen zu haben. Einen besonderen Einfluss sollen dort die Schamanen besessen haben.

Über den Stämmen, quasi als verbindendes Glied, nachdem Dschingis Khan die eigentlichen Mongolen geeint hatte, stand die Dschingiskhaniden Familie, deren Oberhaupt der Khan bzw. Großkhan war. Zusammen mit den Prinzen bildete er die höchste Schicht der Mongolen. Sie waren die Besitzer der eroberten Landmassen. Jedem Prinzen wurden zur Verwaltung Weiden anvertraut. Dies war der Grundstein für die später entstehenden Dschingiskhaniden-Khanate.

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[3] Die Bezeichnung eigentliche Mongolen für die Mongolen des Ursprungsgebietes der Expansion taucht bei mehreren Autoren auf. Vgl. auch Neumann-Hoditz, der zusätzlich die Bezeichnung Altmongolen einführt (Neumann-Hoditz, S. 18).

[4] Zur Verdeutlichung der Stämme und zur geographischen Lage siehe die Karte in Anlage I im Anhang.

[5] Der Titel entsprach in etwa dem eines europäischen Kaisers.

[6] Wichtig ist die Unterscheidung von Mongolen und Tataren als ursprünglich verschiedene Völker. Lediglich die Europäer haben diese Unterscheidung nicht gemacht, sondern Mongolenjoch gleich Tatarenjoch gesetzt.

[7] Vgl. Grousset, René: Die Steppenvölker, Attila, Dschingis Khan, Tamerlan, Essen 1975, S. 269f.

[8] Vergleichbar mit einem europäischen König.

[9] Außerdem wurde diese Einheit schon bald wieder durch die Tataren, dem mächtigsten Stammesverband der Gegend, beendet, die den mongolischen Khan zusammen mit dem benachbarten Reich der Chin besiegten (s.u.).

[10] Vgl. Grousset, S. 270.

[11] Aufgrund des langsamen Übergangs von Waldzonen zu Steppen und dann zu Wüsten kam es aber vor allem im Grenzgebiet auch zu vermischten Lebensweisen. Die Menschen passten sich an die Umweltbedingungen an und nutzten die Gegebenheiten aus.

[12] Vgl. Grousset, S. 271f.

[13] Vgl. Grousset, S. 310.

[14] An dieser Stelle soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass es bei den hier vorgestellten Personen und Begriffen durchaus von Autor zu Autor verschiedene Schreibweisen gibt. Es wurde versucht, eine Schreibweise beizubehalten.

[15] Vgl. Neumann-Hoditz, S. 21.
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